Es gibt Lernstrategien, die werden von Generation zu Generation weitergegeben und sind deshalb extrem verbreitet. Doch aus Sicht der modernen Lernpsychologie sind sie langfristig wenig bis gar nicht effektiv. Die bekannteste davon ist das mehrfache Lesen eines Textes.
Herzlich willkommen zum Lern-Boost-Podcast! Ich bin euer Host und wir beleuchten heute eine ganz wichtige, aber oft missverstandene Grundlage für wirklich erfolgreiches und nachhaltiges Lernen: die Lese-Wiederholung. Achtung Spoiler: Wiederholtes Lesen allein führt zu keinem nachhaltigen Lernerfolg.
Das Problem: Tradition vs. Psychologie
Es gibt Lernstrategien, die werden von Generation zu Generation weitergegeben und sind deshalb extrem verbreitet. Doch aus Sicht der modernen Lernpsychologie sind sie langfristig wenig bis gar nicht effektiv. Die bekannteste davon ist das mehrfache Lesen eines Textes.
Viele Schülerinnen, Studenten und auch Erwachsene glauben fest daran: Wenn ich den Text nur oft genug lese, prägen sich die Inhalte wie von selbst ein.
Aber die Wahrheit ist: Lesen ist nicht gleich Lernen.
Wer nur seine Mitschriften oder sein Buch liest, lernt nicht wirklich, denn die Aufmerksamkeitsspanne ist beim passiven Lesen oft viel zu gering. Es ist eine Illusion der Produktivität.
Die Lösung: Aktivierung und Transfer
Wissen ins Gedächtnis zu bringen bedeutet immer, aktiv mit dem Stoff zu arbeiten.
Das bedeutet:
1. Aufgaben lösen: Setz dich hin und löse konkrete Probleme.
2. Projekte bearbeiten: Wende das Wissen praktisch an.
3. Berichten: Erkläre den Stoff jemand anderem oder dir selbst.
Genau das fördert den automatischen Wissenstransfer in dein Gehirn.
Wer ausschließlich liest, sollte zumindest einen oder zwei Abschnitte laut lesen, denn das erhöht die Behaltensquote. Oder noch besser: Fasse den Abschnitt laut sprechend mit eigenen Worten zusammen.
Der Königsweg: Abfragen statt Aufnehmen
Viele Lernende nehmen den Stoff beim Lernen nur auf, üben aber nicht, ihn auch wiederzugeben. Genau das aber muss in einer Prüfung geschehen.
Der Schlüssel liegt im innerlichen Abfragen. Du musst dich schon beim Lernen immer wieder fragen: Was habe ich gerade gelernt?
Dabei helfen zwei einfache, aber hochwirksame Techniken:
Karteikarten: Schreibe dir selbst Fragen zum Stoff, die du dann zur Wiederholung nutzen kannst.
Lernplakate: Erstelle große Plakate mit den wichtigsten Fragen und hänge sie an einem Ort auf, an dem du täglich vorbeikommst – zum Beispiel in der Küche oder im Flur. Siehst du die Frage im Vorbeigehen, versuchst du, sie sofort zu beantworten. Das ist ein fantastisches Mittel, um dein Gedächtnis zu trainieren.
Die psychologische Falle: Die Illlusion des flüssigen Lesens
Die Psychologie hat auch herausgefunden, warum wiederholtes Lesen so verlockend ist. Beim mehrfachen Durchlesen eines Textes entsteht der Eindruck, ihn zunehmend fließender lesen zu können. Wir neigen dazu, dieses flüssigere Lesen als Lernerfolg fehlzuinterpretieren.
Warum? Weil die verwendeten Worte und Phrasen uns zunehmend vertrauter vorkommen. Dieses Gefühl der Vertrautheit lässt den falschen Eindruck entstehen, wir hätten den Inhalt gelernt.
Aber Achtung: Diese sich einstellende Vertrautheit ermöglicht es uns keineswegs, den gelesenen Stoff in einer Prüfung mit eigenen Worten und in der notwendigen Tiefe wiederzugeben.
Kurioses zum Thema: Karl May und das „unnötige Zeug“
Zum Abschluss noch eine kuriose Anekdote: Der berühmte Schriftsteller Karl May wuchs in einer armen Familie auf. Sein Vater wollte, dass er es einmal besser hat, und sah Bildung als einzigen Weg.
Also brachte der Vater alte Gebetbücher, Rechenbücher, Naturgeschichten und gelehrte Abhandlungen nach Hause – alles, was er finden konnte. Karl May musste diese Texte lesen oder teilweise sogar abschreiben, weil der Vater glaubte, er würde es dadurch besser behalten.
Karl May selbst berichtete, dass er oft kein einziges Wort verstand, aber trotzdem ganze Tage und halbe Nächte lang dieses, Zitat, „unnötige Zeug“ in seinen Kopf packen musste. Ein anschauliches, wenn auch extremes Beispiel dafür, dass passives Aufnehmen ohne Verständnis und aktive Arbeit wenig bringt.
Wir hoffen, diese Episode hat dir einen echten Lern-Boost gegeben und dich motiviert, beim nächsten Mal vom passiven Leser zum aktiven Lerner zu werden. Vielen Dank fürs Zuhören!
Bis zum nächsten Mal beim Lern-Boost-Podcast!
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